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Karin Handschin

Spielen schafft Nähe - Nähe löst Konflikte



Es ist mir ein bisschen unangenehm, es zuzugeben, doch ich habe die Angewohnheit, mir Sachbücher zu kaufen und sie dann monatelang – einige sogar jahrelang – im Büchergestell verstauben zu lassen ohne sie zu lesen. Gleichzeitig stapeln sich auf dem Tisch die Bücher, welche ich mir aus der Bibliothek ausleihe und nicht lese. Obwohl sie mich natürlich alle total interessieren. Tja, so ist es.


Vorgenommen habe ich mir schon ganz oft, dem Lesen wieder mehr Priorität zu geben. Vor ein paar Wochen habe ich endlich mit der Umsetzung begonnen. Und es hat sich mehr als gelohnt!


Und nun hat es also auch dieses Buch endlich geschafft und ist von vorne bis hinten komplett gelesen worden. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich mir beim Lesen gewünscht habe, ich hätte das Buch direkt gelesen, als ich es gekauft habe...


Die Autorin Aletha Solther kenne ich schon viele Jahre. Ihre Bücher über das Weinen ("Warum Babys" weinen und "Auch kleine Kinder haben grossen Kummer") haben mir im Umgang mit meinen eigenen Kindern sehr geholfen.


Auf ihr neustes Buch, welches ich hier vorstellen möchte, bin ich durch Anke Eyrich gestossen, mit der ich im Rahmen meines Onlinekurses ein Gespräch zum Thema Bindungsspiele mit Fokus auf die Vorbereitung von werdenden und frischgebackenen Geschwistern geführt habe.


Das Buch "Spielen schafft Nähe - Nähe löst Konflikte" beschäftigt sich mit der heilenden und verbindenden Kraft, welche im gemeinsamen Spiel zwischen Eltern und Kindern steckt und zeigt auf, dass sich viele Verhaltensprobleme durch gezielte spielerische Tätigkeiten lösen lassen. Selbst bei Trennungs- und Geburtstraumata etc. können die von Aletha Solther beschriebenen Spielformen therapeutisch und heilsam wirken.


Was mir besonders gefällt: Wissenschaftliche Forschungen belegen die Wirksamkeit des Bindungsspiels. Im Anhang des Buches werden die Forschungsgrundlagen detailiert beschrieben.


Doch was bedeutet Bindungsspiel eigentlich?


Das Bindungsspiele ist Überbegriff für verschiedene bindungsfördernde Spielformen. Diese sind interaktiv und tragen zur Festigung der Beziehung zwischen dem Kind und der erwachsenen Bindungsperson bei. Sie fördern das Lachen, welches innere Angst, Anspannung und Wut lösen kann. Sowohl der Erwachsene, wie auch das Kind können Bindungsspiele initiieren und die Führung übernehmen. Sie können unabhängig von Spielsachen und Zubehör jederzeit und an jedem beliebigen Ort durchgeführt werden. Sie folgen keinen starren und festen Regeln. D.h. sie können situationsbedingt angepasst werden. Bindungsspiele sind NICHT ernsthaft kompetitiv. Bei der Spielform der Machtumkehr kann es zwar beispielsweise zu einer Kissenschlacht kommen, in der die erwachsene Person vortäuscht, den «Kampf» gegen das Kind zu verlieren, jedoch handelt es sich dabei immer um spielerische Unterlegenheit, die beiden Parteien bewusst ist und dadurch Lachen auslöst.


Bindungsspiele können hochwirksames Heilmittel in belastenden Lebensphasen sein. Zum Beispiel, wenn ein Geschwister zur Familie stösst. Wenn Krankheiten und/oder Klinikaufenthalte dem Kind das Leben erschweren, eine Trennungssituation verarbeitet werden muss oder das Kind unter Schulstress leidet.


Sind Eltern durch das Verhalten des Kindes herausgefordert, weil es sich unkooperativ verhält, Wut und Aggression an den Tag legt, Schwierigkeiten beim Trockenwerden hat, die Hausaufgaben Probleme bereiten etc. unterstützen die spielerischen Ansätze von Aletha Solther, um die Herausforderungen zu überwinden, ohne auf Strafen und Belohnungen zurückgreifen zu müssen.


Aletha Solther beschreibt neun Formen des Bindungsspiels. Unter anderem nicht-direktive, kindzentrierte Spiele, Machtumkehrspiele, Trennungsspiele etc.


Die heilsame Wirkung vom Lachen zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Gemeinsames Lachen fördert nicht nur die Bindung, sondern vermag auch Ängste und traumatische Erfahrungen lindern oder sogar heilen. Je mehr gelacht wird, umso grösser die befreiende Wirkung des Spieles.

Natürlich steht das Lachen nicht immer im Zentrum des bindungsfördernden Spiels. Im Zusammenhang mit der Ankunft eines kleinen Geschwisterkindes können Regressionsspiele sinnvoll sein, die oft sogar vom Kind selber angeregt werden: Dabei lässt es sich auf eine frühere Entwicklungsstufe fallen, redet Babysprache, weint wie das Baby, möchte nur noch getragen werden o.ä. Wenn Eltern sich dem «Spiel» hingeben und das ältere Geschwister tatsächlich wie ein Baby behandeln und umsorgen, spürt es Liebe und Zuwendung, was in der herausfordernden Umstellungsphase nährend und heilsam wirkt.


Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass die im Buch beschriebenen Bindungsspiele oft gar nicht neu gelernt und krampfhaft in den Alltag eingebaut werden müssen. Viele sind schon da. Entweder vom Kind initiiert oder natürlicherweise bereits im elterlichen Verhaltensrepertoire vorhanden (z.B. das Spiel Gugus-Dada/Guck-Guck, welches zu den Trennungsspielen gehört). Es geht also oft nur darum, achtsam auf die Spieleinladungen der Kinder einzugehen, wie auch im Bewusstsein ihrer starken Wirkungsweise gewisse Spiele gezielt einzusetzen, wenn wir im Alltag mit unseren Kindern Schwierigkeiten begegnen.


Am Buch gefällt mir der grosse Praxisbezug. Nach der Einführung ins Konzept, Vorstellung der verschiedenen Spielformen und einem allgemeinen Leitfaden, werden diverse konkrete Herausforderungen aus dem Alltag mit Kindern aufgegriffen und es wird beschrieben, welche Spielformen dabei unterstützend wirken können. Das Buch eignet sich also gewissermassen auch als Nachschlagewerk, welches mit vielen Erfahrungsberichten aus der Praxis untermalt wird.


Ebenfalls wertvoll sind die Abschnitte, die den Blick auf die Eltern richten. Was können sie tun, wenn es ihnen schwerfällt, mit ihrem Kind zu spielen und zu lachen? Was könnte dahinter stecken? Wie können sie mit starken negativen Emotionen umgehen, welche den Bindungsaufbau zum Kind erschweren?


Der Blick auf die für die Bindung verantwortlichen Personen ist ehrlich, bleibt jedoch stehts liebevoll und wertefrei. Das Buch ermutigt und macht Lust aufs Spielen und Lachen. Die im Buch vorgestellten Spielformen eignen sich gemäss der Autorin für das Alter zwischen Geburt und 12 Jahren. Einige Spielformen können sogar bei Teenagern noch wirksam sein.

Da kann also sogar ich mit meinen Schulkindern noch davon profitieren. :-)


Ich kann das Buch von Herzen weiterempfehlen und möchte diesen Text mit einem Zitat der Autorin schliessen:


Das Spiel zählt zu den besten Mitteln, die emotionalen Batterien Ihres Kindes wieder aufzuladen.


Aletha Solther



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